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Moral 63

D | 1963/64 | sw | 100 Min.

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Credits

Regie:
Rolf Thiele
Drehbuch:
Rolf Thiele/Hans Pauck
Kamera:
Wolf Wirth
Schnitt:
Ira Oberberg
Musik:
Norbert Schultze
Darsteller:
Nadja Tiller, Mario Adorf, Charles Regnier, Fritz Tillermann, Peter Parten, Heidi Bill, Lore Bill
Produktion:
Thalia-Film GmbH
Produzent:
Franz Seitz
FSK:
ab 18 J.

Inhalt

Sagt doch Bertrand Russel: Die moderne Menschheit hat zwei Arten von Moral: eine, die sie predigt, aber nicht anwendet – und eine andere, die sie anwendet, aber nicht predigt - der Anwendung nicht gepredigter Moral ist eine „Gesellschaft zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen“ dienlich, der die Dame Marion vorsteht. Am Rosenmontag wird sie im Trubel des Karnevalszuges verhaftet. Jemand hat Anstoß genommen, just ein Mitglied jener Gesellschaft e.V., die ihre vornehmste Aufgabe darin sieht, wieder „Gespräche zwischen Mann und Frau“ möglich zu machen. Hat es den Herrn gestört, dass seine Töchter, scheinbar wohl behütete jungfräuliche Zwillinge, zu einem makaberen Fest im Hause der Marion erschienen sind? Quod licet patri, non licet filiae. Konsul Meyer-Cleve ist dieser Ansicht, veranlasst die Behörde in Gestalt des Ermittlungsrichters Dr. Merkel einzugreifen. Die Folge: Vernehmung, Hausdurchsuchung, Untersuchungshaft. Ist die Grenze der Legalität schon erreicht? Egal, wenn es Spaß macht. Aber – das Vergnügen des Dr. Merkel am Fall Marion bleibt gedämpft, die Dame zeigt sich störrisch, sagt dem Herrn Richter nicht was er hören möchte.

Der Journalist Axel Rottmann weiß besser mit Marion umzugehen. Fünfstellige Versprechungen lockern selbst einer Dame der Gesellschaft die Zunge. Sie soll ihr Leben erzählen, auf Band sprechen. Axel wird das Elaborat, durch den Druck vervielfältigt, einer wohl geneigten Leserschaft überantworten. Dr. Merkel stellt hochherzig eine Zeile im Untersuchungsgefängnis als Klausur zur Verfügung. Der Gute, er hofft, dass dabei einige informative Brotsamen  für seine Ermittlungsverfahren abfallen.

„Geboren als Tochter des Gymnasialprofessors … Axel protestiert : Doch nicht die Wahrheit bitte. Die attraktive Lüge will er. Schau sie sich um im Blätterwald der deutschen Wirklichkeit. Kann sie nicht einiges davon selbst erlebt haben? Die Dame Marion pariert dem Appell an ihre Phantasie Ordre, manipuliert die Requisiten, Gestalten, Dekorationen ihrer eingebildeten Metamorphosen. Wen, was? Frauen- und Zahnärzte, spät blühende Müllter, Protagonisten der Wohlstandsgesellschaft, Sklerotiker,  Pharisäer, Zeitungsverleger, Generäle a.D., Lobbyisten, ehrgeizige Mädchen, adelige Hausdamen und bäuerliche Venera – Hochhäuser der Eitelkeit, Paukböden, Hauskapellen, Friedhöfe, Studentenbuden, Flugplätze, Marmorbäder und -Klippen, und immer wieder Betten, weiche, prunkvolle, karge, doppelte.

… das Tonband läuft, vermerkt rekapituliert. Schleicht sich die Wahrheit ein. Als Marion von ihrer Affäre mit Hans, dem Sohn des Meyer-Cleve erzählt? Gibt es diesen Hans? Liebt sie ihn? Oder liebt sie die Vorstellung, dass es ihn geben könnte, diesen ernsten, sentimentalen, beinahe mönchischen Studiker, der mit zunehmender Hörigkeit zum Playboy avanciert?
Der Playboy verliert die Übersicht, provoziert den Skandal. Die Schwestern müssen herhalten. Meyer-Cleve zeigt an. Zwei Tage später: Infarkt. Wallhall, Friede seiner Asche. Das Kollegium der Freunde ist erleichtert. Ein Verfahren wird eingestellt. Auf den Straßen singen die Jecken: Moral, Moral, Moral, Skandal, Skandal, Skandal, Skandal! Und es klingt wie der Badenweiler Marsch.

Aschermittwoch. Karnevalsleichen. Marion tritt auf die Straße. Ein alter General mahnt zur Haltung. Axel zückt den Scheck. Darf die „Gesellschaft zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen“ weiter bestehen? Freilich: Man darf weiterhin moralisch sein.