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Franz Seitz

Produzent, Regisseur, Autor (1921-2006)

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Auszeichnungen

1978
Deutscher Filmpreis: Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film

1980
Verdienstkreuz I. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

1981
"München leuchtet - den Freunden Münchens"

1981
Staatsmedaille für besondere Verdienste um die Bayerische Wirtschaft

1983
Bayerischer Filmpreis: Produzentenpreis für DER ZAUBERBERG und DOKTOR FAUSTUS

1985
Bayerischer Verdienstorden

1990
Bayerischer Filmpreis: Ehrenpreis für das Gesamtschaffen

1990
Chevalier dans l’Ordre des Arts et des Lettres der französischen Republik

1996
DIVA-Award (Deutscher Entertainment-Preis)

1997
Berlinale Kamera

2000
Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

Biografie

Franz Xaver Seitz wird am 22. Oktober 1921 in München geboren. Sein Vater ist der Filmregisseur und Produzent Franz Seitz sen. (1888–1952), seine Mutter die Schauspielerin Anni Terofal. Nach dem Abitur am Neuen Realgymnasium in München leistet er 1940–45 Kriegsdienst als Oberleutnant und Batterieführer bei der 337. Infanterie-Division. Er wird 1943 an der Ostfront schwer verwundet und kann den längeren Heimataufenthalt nützen, drei Semester Medizin zu studieren. Nach Kriegsende beschäftigt er sich autodidaktisch mit Malerei und Kunstgeschichte, lebt 1945–48 als Kunstmaler. 1949 volontiert er bei Richard Eichberg als Filmarchitekt (DIE REISE NACH MARRAKESCH). 1951 gründet er mit Jochen Genzow in München die Produktionsfirma Allegro-Film.

Für Verwirrung gesorgt hat die Namensgleichheit von Vater und Sohn Franz Seitz – beide Produzent, Autor und Regisseur. 1951 produziert der Sohn den Film DER LETZTE SCHUSS (als Co-Produktion von Allegro- und Thalia-Film), bei dem der Vater Regie führt. Am Drehbuch des Vaters arbeitet der Sohn mit, sein Bruder Hans Seitz (Terofal), ein Schauspieler mit komischem Talent, spielt in dem Film mit. Es ist ein typischer Film von Franz Seitz sen., der seit Mitte der 1910er Jahre eine Hauptfigur der münchner Filmszene ist: ein oberbayerisches Thema um Wildschützen, arme und reiche Bauern, Haberfeldtreiben, uneheliche Kinder und andere ländliche Tragödienelemente. 1954 zeigt sich erstmals, dass sich der Sohn vom väterlichen Erbe emanzipieren möchte: Als Geschäftsführer der – von ihm ebenfalls gemeinsam mit Genzow betriebenen – Ariston-Film GmbH beteiligt er sich an der Produktion von Roberto Rossellinis DIE ANGST / LA PAURA. Diese Distanzierungsbewegung setzt sich 1955 fort mit ES GESCHAH AM 20. JULIi von G. W. Pabst.

Der Junior stellt mit seiner 1956 gegründeten Franz Seitz Filmproduktion in München noch zahlreiche Heimatfilme her, u.a. DER MEINEIDBAUER, MEIN SCHATZ IST AUS TIROL, SCHÖN IST DIE LIEBE AM KÖNIGSEE, BEI DER BLONDEN KATHREIN. Ende der 1960er Jahre, als der Heimatfilm als populäres Unterhaltungskino endgültig passé ist, wechselt er zum modischen »Aufklärungsfilm« und kreiert – angeregt durch Ludwig Thomas bayerische Lausbubengeschichten – das eine Zeitlang höchst profitable Genre der »Lümmel- und Paukerfilme«.

Seitz tritt auch als Autor und Regisseur in die Fußstapfen seines Vaters. 1954 entsteht sein Regie-Debüt EIN MÄDCHEN AUS PARIS, ein musikalisches Lustspiel um eine französische Studentin: »Sie kommt aus Paris nach München, wird dort an den Sehenswürdigkeiten vorübergeführt, lächelt viel (was soll sie sonst tun?), lügt ein wenig (warum eigentlich?), weint auch einmal (auf Regen folgt Sonnenschein) und sieht immer bezaubernd lieblich aus. Aber etwas zu spielen bekommt sie nicht, da nichts Nennenswertes sich ereignet, und dann sitzt die beste Schauspielerin (Etchika Choureau) auf dem trocknen. Sie verliebt sich zwar in den dafür vorgesehenen jungen Mann (Erich Schellow) und heiratet ihn nach einigen sehr belanglosen Zwischenspielen auch, aber das alles erweckt nicht den Eindruck, als habe es auch nur die Reisekosten von Frankreich nach Deutschland gelohnt.« (W. B., Film-Dienst, Nr. 50, 10.12.1954).

Seine nächste Regiearbeit ist der letzte Teil der »Lausbuben«-Filme nach Ludwig Thoma, LUDWIG AUF FREIERSFÜSSEN (1969). Da Hauptdarsteller Hansi Kraus inzwischen gealtert ist, inszeniert Seitz nur eine Rahmenhandlung, innerhalb derer Ausschnitte aus den bisherigen vier Filmen gezeigt werden: »Derartiger Schnitzelsalat entzieht sich eigentlich jeder kritischen Betrachtung, denn es gibt weder Handlung noch Dramaturgie, keine Logik und auch keine formende Regie. Eigentlich bleibt nur die Gesinnung zu bewundern, die so kaltblütig mit aufgewärmten Resten Geld zu machen wagt.« (e. h., Film-Dienst, Nr. 52, 23.12.1969).

Unter dem Pseudonym Georg Laforet – ein Vorfahre mütterlicherseits war ein Graf Laforet, dessen illegitime Kinder das Anagramm Terofal als Familiennamen trugen – schreibt Seitz zahlreiche Drehbücher. Am erfolgreichsten ist 1962 Rolf Thieles Sex-Farce DAS SCHWARZ-WEISS-ROTE HIMMELBETT: »Genüßlich verfolgt Thiele die Abenteuer seines jugendlichen Libertins. Sein eigentliches Vergnügen richtet sich aber nicht auf bloße Gelegenheitsmacherei. Vielmehr findet er seinen Hauptspaß dabei, es nach ausführlicher Darstellung der Präliminarien dann doch zum letzten nicht kommen zu lassen. Man müßte einmal zählen, wie oft in diesem Film im letzten Moment etwas dazwischen kommt, überraschend auftauchende Konkurrenten, Vermieterinnen, Lehrer, Polizisten und schließlich die Mobilmachung.« (E. Patalas, Filmkritik, Nr. 12, 1962).

Gehobene Unterhaltung ist das Ziel seiner Drehbücher, so bei KLEINER MANN – GANZ GROSS oder dem Episodenfilm DIE HERREN, bei dem neben Seitz (als Georg Laforet) noch Thiele und Alfred Weidenmann Regie führen. Die Sujets bewegen sich zwischen Kinder-Tierfilm und erotischer Satire: »Wer Kinder und Pferde liebt – und wer liebt sie nicht! – wird seine Freude an dem Film haben (…), vor allem aber die Frauen werden gerührt das Taschentüchlein ziehen. Und das bedeutet wie immer ein annehmbares Geschäft.« (B. Markus zu KLEINER MANN – GANZ GROSS, Film-Echo, Nr. 17, 27.2. 1957). »Von Rolf Thiele ist der deutsche Filmbesucher einiges an geistiger Selbstbeschmutzung gewohnt. Verwunderlich ist aber, daß es Georg Laforet und Alfred Weidenmann dem ›Cheferotiker des deutschen Films‹ an schmuddeliger Ge¬sinnung gleichtun wollen.« (W. V. zu DIE HERREN, Film-Dienst, Nr. 37, 15.9.1965).

Der »andere« Seitz zeigt sich am deutlichsten als Produzent von Volker Schlöndorffs international erfolgreichem Debütfilm DER JUNGE TÖRLESS (1965/66). Man könnte fast von einer schizophrenen Karriere sprechen: Ein prominenter Ver¬treter der geschmähten Altbranche wird einer der ersten Produzenten des Jungen Deutschen Films. Im gleichen Jahr produziert Seitz sowohl die von Thiele inszenierte Dürrenmatt-Verfilmung GRIECHE SUCHT GRIECHIN als auch den dritten Teil der »Lausbuben«-Reihe (ONKEL FILSER – ALLERNEUESTE LAUS¬BUBENGESCHICHTEN) und Rainer Erlers Spielfilm-Debüt, die Kriegssatire FAST EIN HELD (1966/67). »Für ihn war das alles Film (…) verschieden zwar im Genre, aber gleichwertig im Kampf um die Gunst der Zuschauer.« (Volker Schlöndorff, 2006)

1967 beteiligt sich Seitz an Jean-Marie Straubs CHRONIK DER ANNA MAGDALENA BACH, 1970 ist er Co-Produzent von Louis Malles HERZFLIMMERN. Er erwirbt die Rechte an Günter Grass’ Roman »Die Blechtrommel« und schreibt ein Drehbuch, für das er zunächst versucht, Roman Polanski als Regisseur zu ge¬winnen. Dann bietet er den Stoff Johannes Schaaf an und schließlich Schlöndorff, der das Buch zunächst für nicht verfilmbar hält. Doch Seitz »ließ nicht locker. Monatelang kam er darauf zurück, mal auf der Straße, mal bei einem Empfang, mal bei mir zu Hause. So hat er mir zu meinem ersten Film und zu meinem größten Erfolg verholfen, und rückblickend sehe ich ein, dass andere, auch Produzenten, einen manchmal besser kennen als wir, Regisseure, uns selbst.« (Schlöndorff, 2006). DIE BLECHTROMMEL gewinnt 1980 den Oscar als bester fremdsprachiger Film und wird einer der international erfolgreichsten deutschen Filme. Ein zweiter Teil über die Nachkriegsjahre wird mit Hilfe von Grass geplant, aber nicht realisiert.

Ein spezieller Zug von Seitz’ Persönlichkeit zeigt sich 1964 in der Produktion von Thomas Manns TONIO KRÖGER, die Rolf Thiele inszeniert. Vier weitere Filme nach Thomas Mann folgen: WÄLSUNGENBLUT (1964, Thiele) und DER ZAUBERBERG (1981, Hans W. Geissendörfer), bei UNORDNUNG UND FRÜHES LEID (1976) und DOKTOR FAUSTUS (1981/82) führt Seitz selbst Regie. Thomas Manns Konflikt von Künstler und Bürger in Personalunion findet in Seitz eine Entsprechung. Auch das Lokalkolorit in Manns Novelle »Unordnung und frühes Leid« kommt ihm sehr entgegen: »Die Novelle spielt in München. Und ich kenne München von Kindesbeinen an, weiß um die Nuancen, die Details, die mundartlichen Verschiebungen. Da ist die Szene mit dem besseren Herren in der Straßenbahn, mit dem Fahrschein, den er unter dem Siegelring trägt. Das taten die besseren Fahrgäste damals so, und diese Feinheiten kann nur der nicht übersehen, der mit ihnen groß geworden ist.« (Goschke, 1977).

Die Kritik reagiert auf die Filme gemischt, das oft verwendete Adjektiv »redlich« charakterisiert auch die Ratlosigkeit der Feuilletons. So sei Seitz in UNORDNUNG UND FRÜHES LEID »nur ein nobler Herrenzimmerfilm gelungen. Da gibt es geistiges Niveau, handwerkliche Qualität, aparten Bildreiz. Und doch geht das an Mann ebenso vorbei wie an unserem Zeitnerv.« (G. Bastian, Film-Dienst, Nr. 7, 29.3.1977). Klaus Eder zum selben Film: »Die Epoche, die diese Erzählung prägte, ist eine andere als die unsere. Wer diese Erzählung verfilmt, wird also von ihr kaum Auskünfte über unsere Gegenwart erwarten – eher schon wird sich einer zu einem Film veranlaßt sehen, weil er Thomas Mann mag. Franz Seitzens Film ist diese Zu¬neigung anzumerken.« (Filmbeobachter, Nr. 5, 1.3.1977).

Ein zweiter Komplex im Regie-Werk von Franz Seitz zeigt eine Zwischenposition: Filme mit bayerischen, speziell münchner Themen – allerdings auch mit kritischem Anspruch jenseits der Heimattümelei: ABELARD – DIE ENTMANNUNG (1975/76) erzählt, eingebettet in eine Gerichtsverhandlung, die Geschichte eines Tierarztes (Christian Kohlund), der von zwei enttäuschten Geliebten (Susanne Uhlen, Anita Mally) kastriert wird. Eingeschoben wird ein Rückblick auf den franzö¬sischen Scholastiker Abaelard, dem im 12. Jahrhundert Ähnliches widerfährt. Die Kritik äußert sich überwiegend negativ: »Die Kamera schwelgt in blumigen Bildern von Sonne, Sand und Meer: die Beseitigung des kleinen Unterschieds in Spielfilmlänge und mit Kitsch verbrämt. Ein Kastrationsdrama, das der deutschen Filmindustrie schwerlich nützen wird; durch solchen Schund schreibt sie sich wirklich ab.« (J. Hill, Film-Dienst, Nr. 5, 1.3.1977).

DIE JUGENDSTREICHE DES KNABEN KARL (1977) ist ein Klamauk-Film nach Karl Valentin: »Seitz fertigte über die Jugend Valentins einen Film, dem man gewiß Liebe zur Sache und auch Einfühlungsvermögen nicht absprechen kann. Daß am Ende doch nur ein eher freundlicher Bilderbogen aus der Vorstadt von einst, eine Art Fortsetzung der Lausbubengeschichten (nur eben über den Knaben Karl statt über den Knaben Ludwig), herauskam, das liegt eher mehr an Valentin als an Seitz: Denn an dem Unterfangen, Valentins Komik zu interpretieren oder gar nachzuspielen, sind bislang alle – selbst die Gescheitesten – gescheitert.« (A. Winterstein, Filmbeobachter, Nr. 23, 1.12.1977).

In FLAMMENZEICHEN (1984) erzählt Seitz die Biografie des münchner Jesuiten und Widerstandskämpfers Rupert Mayer, das Drehbuch verfasst Tochter Gabriele Seitz: »Geschickt verknüpft der Film fiktive Spielszenen mit dokumentarischen Bildern aus Deutschlands Vergangenheit. Mit knappen Kommentaren werden die Zeiten geschildert, in denen Rupert Mayer wirkte. Gelegentlich erweisen sich die nachgestellten Szenen als die Schwachpunkte in diesem Bericht, weil dem Versuch, Vergangenheit so einzufangen, Grenzen gesetzt sind. Doch ist der Film ein eindrucksvolles Zeugnis von dem Mut eines Mannes, der Priester war und Vorbild ist.« (J. Hill, Film-Dienst, Nr. 25, 10.12.1985).

ERFOLG (1990), nach dem Roman von Lion Feuchtwanger, schildert das Schicksal des freigeistigen Direktors der Münchner Staatsgalerie, der Anfang der 1920er Jahre, als die Nationalsozialisten sich formieren, zuerst wegen Unzucht, dann ¬wegen Meineids vor Gericht gestellt wird: »Einen solchen an Bezügen und Anspielungen überreichen Roman zu verfilmen, das scheint schlechterdings unmöglich. Franz Seitz’ Annäherung an ›Erfolg‹ reduziert deshalb das Handlungsgerüst auf wenige Personen und vereinfacht es. Ihm ist weniger an einem breiten Panorama gelegen als einem Lehrstück über die Mechanismen politischer Macht. Ganz distanziert und in einer linear gehaltenen Handlung beschreibt er den Automatismus, der in Gang gesetzt wird, um einen erfolgreichen, aber unbotmäßigen Museumsdirektor außer Gefecht zu setzen.« (R. Worschech, epd Film, Nr. 3, 1991).

Neben der Tätigkeit als Produzent, Autor und Regisseur engagiert sich Seitz intensiv in Vereinen und Verbänden: Er wird 1981 Vorsitzender des Verbands deutscher Spielfilmproduzenten e.V., ist daneben Vize-Präsident des internationalen Produzenten-Verbands FIAPF, 1987–97 Mitglied des Kuratoriums der Berliner Festspiele GmbH, die u.a. Träger der Internationalen Filmfestspiele sind. Er amtiert in der Film-Förderungs-Anstalt (FFA) als Stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats, Mitglied des Präsidiums, Mitglied der Richtlinienkommission, Mitglied der Verhandlungsgruppe Film/Fernsehen, ist 1987–97 Vorsitzender des Vorstands bzw. Präsident der SPIO, anschließend Mitglied des Präsidiums. Ab Gründung ist er stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Internationalen Münchner Filmwochen GmbH, dem Träger des Filmfest München.

Seine Film-Produktionen erhalten u.a. vier Goldene Leinwände, zahlreiche Bayerische und Deutsche Filmpreise sowie einen Oscar. Seitz selbst wird mit zahlreichen Ehrungen und Orden ausgezeichnet. Der Ehe von Franz und Anneliese Seitz, geb. Conrad, entstammen Tochter Gab¬riele (geb. 1946) und Sohn Peter (geb. 1947). Die Tochter ist wiederholt in der väterlichen Produktion tätig, tritt bereits als Kind in ANGST auf und schreibt, inzwischen promoviert, u.a. das Drehbuch zu FLAMMENZEICHEN, dreht eine TV-Dokumentation zur ZAUBERBERG-Verfilmung (100 TAGE AUF DEM ZAUBERBERG) und ediert Begleitbücher zu väterlichen Produktionen.

Franz Seitz stirbt am 19. Januar 2006 in München. Am 27.1. wird er auf dem Friedhof im oberbayerischen Schliersee beigesetzt.

 

Thomas Brandlmeier, Olaf Brill: Franz Seitz - Produzent, Regisseur, Autor.
In: Hans-Michael Bock (Hg.): CineGraph - Lexikon zum deutschsprachigen Film.
Lg. 47. München: edition text + kritik 2009.